Mit „go2market“ öffnete im Juni in Köln-Braunsfeld der erste deutsche Real-Life-Marktforschungs-Supermarkt. Einer ausgewählten Gruppe von Konsumentinnen und Konsumenten gewährt er Zutritt zu in Deutschland noch nicht bekannten Lebensmittelprodukten. Innovative Technologien liefern Einsichten in das Kaufverhalten.
„go2market“ ist die Weiterentwicklung des Konzepts, das 2017 in Wien unter dem Namen „Weekend“-Supermarkt Premiere feierte: Ausgewählte Konsument:innen werden in einer realistischen Supermarktumgebung bei ihrem Einkauf beobachtet und nach allen relevanten Parametern der Marktforschung analysiert. Für einen Zeitraum von maximal drei Monaten werden Produkte in das Sortiment aufgenommen, die im nationalen Handel noch nicht gelistet, aber im Ausland erfolgreich sind, die gerade gelauncht werden oder von den Verbraucherinnen und Verbrauchern im heimischen Regal noch nicht ausreichend wahrgenommen wurden. Die registrierten Mitglieder (2.800 Personen Stand Ende Juli) bilden in ihrer Gesamtheit einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab. Sie erhalten für einen Monatsbeitrag zwischen 12,90 und 16,90 Euro, je nach Laufzeit der Mitgliedschaft, ein Einkaufsguthaben von 55 Euro, das durch die Teilnahme an Umfragen noch erhöht werden kann. Der Firmensitz von „go2market“ befindet sich in Wien. Auf der Einnahmenseite stehen in erster Linie die Umsätze mit Markenartikel- und Start-up Unternehmen. Diese können unter verschiedenen Marktforschungspaketen auswählen, die ihnen helfen sollen, Produkte und Zielgruppen besser einzuschätzen. Aktuell sind im Supermarkt rd. 370 Produkte von 120 Unternehmen für die Kunden verfügbar.
MULTISENSE-STORE Ein Hauptmerkmal des Konzepts sind die zahlreichen digitalen Technologien auf der rd. 400 qm großen Verkaufsfläche, die es den Auftraggebern ermöglichen, in Echtzeit die Performance ihrer Waren zu prüfen. Die Basis dafür bilden Daten, die via Kameratechnik erfasst werden. Highlight ist ein eigens entwickeltes smartes Regal mit integrierten beweglichen Sensoren, Screens und einer Lichttechnik, die einzelne Produkte inszeniert. Sobald sich Konsument:innen dem Regal nähern, fällt Licht auf das Produkt, es beginnt sich zu drehen und ein Spot erklärt Details. „Vielen Stores fehlt der Entertainment-Faktor. Wir müssen die Konsumenten gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten gezielt abholen“, sagt Thomas Perdolt, Gründer und Geschäftsführer von „go2market“. In den Kölner Markt fließen die Erkenntnisse aus dem Wiener „go2Market“ ein, der im Oktober 2020 nach Komplettumbau wiedereröffnet wurde und unter anderem als Testmarkt für neue Instore-Technologien fungiert, die bei nachgewiesener Praxistauglichkeit in Köln und künftig auch in weiteren Marktforschungs-Supermärkten zum Einsatz kommen sollen. So sind einige der nachfolgend genannten Hightech-Features im Kölner „go2Market“ bereits im Einsatz, andere sollen in Kürze folgen.
RAUMDUFT Gemeinsam mit dem Duftmarketing-Spezialisten Sensarama werden Markttests durchgeführt, wie sich Raumdüfte auf das Kaufverhalten und die Verweildauer auswirken. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern dem Anbieter Argumente bei der Vermarktung von Duftkompositionen an andere Händler.
SOUND DNA In der Endausbaustufe erkennt die Beschallungsanlage im Markt, welche Zielgruppe (z.B. mehrheitlich über 30-jährige Personen) im Supermarkt unterwegs ist. Das Soundsystem passt die Musikrichtung auf die Zielgruppe an und steuert die Lautstärke auf die Anzahl der Personen aus.
LICHT Mit Präsenzmeldung arbeitet auch das Lichtsystem von Molto Luce: Die Beleuchtung fährt hoch, sobald ein Kunde oder eine Kundin eine Zone oder einen Gang betritt. Je nach Jahres- und Tageszeit lassen sich verschiedene Beleuchtungsszenarien darstellen. Innovative Nachhaltigkeit zeigt sich auch in den wechselbaren Tauschmodulen. Mussten kürzlich noch defekte LED-Strahler vollständig getauscht werden, können durch die neue Technologie auch einzelne Lichtpunkte durch das Marktpersonal gewechselt werden.
BLICKAUFZEICHNUNG Wohin wandert der Blick des Kunden am Regal, an welchem Produkt bleibt er hängen? Wurden die Probanden früher mit brillenartigen Blickaufzeichnungsgeräten ausgestattet, um Erkenntnisse über die Wahrnehmung der Produkte zu gewinnen, lässt sich das Einkaufsverhalten heute über intelligente Kamerasysteme erfassen und für Potenzialanalysen via „go2market PerfomanceFunnel“ nutzen.
ROBOTICS Roboter „Temi“ bietet am Eingang eine Tour durch den Markt an und beantwortet gerne auch Kundenfragen.
SCAN & GO Registrierte Mitglieder, die den Supermarkt betreten, werden auf dem Smartphone begrüßt und erhalten einen Code für den Check-in. Das System erfasst, welcher Zielgruppe die einkaufende Person angehört. Diese nimmt sich am nächsten Touchpoint einen Einkaufskorb. Der Einkauf erfolgt nach dem Scan & Go-Prinzip: Gescannt werden die Artikel am Regal, bevor sie in den Einkaufskorb abgelegt werden. Am Checkout wird erneut ein Code gescannt, der den Einkauf zusammenfasst. Die Einkaufssumme erscheint auf dem Smartphone und wird vom Guthaben abgebucht. Start-up-Unternehmer Thomas Perdolt ist mit dem Verlauf der ersten Wochen nach Markteröffnung sehr zufrieden: „Es war die absolut richtige Entscheidung, nach Köln zu gehen.“ Für die Zukunft hat sich Perdolt ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2025 will man mindestens zehn „go2market“-Standorte in Europa betreiben. Der Kölner Markt an der Aachener Straße soll die Blaupause für künftige Test-Supermärkte sein.
-Winfried Lambretz
Veröffentlich im Magazin „Stores+Shops“ (04/2021)